Mittwoch, März 29, 2006

Lisas Diskurs

Vielen Dank für Dein schönes Bild von der bewaffneten Katze. Lisa hat es gesehen und meinte, man müsse Kindersoldaten nicht noch verherrlichen. Sie hat sich etwas aufgeregt und dabei merkte ich plötzlich, dass sie tadellos sprechen kann. Sie hat das bisher nicht zugegeben, weil ihr klar ist, dass sie dann für ihr Futter arbeiten müsste. Auch könnte sie ihre Krallen nicht mehr an unserem schönsten Teppich schärfen. Dazu meinte sie, dass meine Reaktion darauf völlig unangemessen sei.

Wir sind dann wieder in eine politische Diskussion geraten, ich hatte Schwierigkeiten, unsere Politiker gegen ihre beißende Kritik zu verteidigen.

Lisa behauptet, das wichtigste Ziel der gewählten Politiker sei ihr eigenes Wohlergehen. Daher bringen sie nicht den Mut auf, endlich die notwendigen Reformen in Angriff zu nehmen. Das ganze politische System sei so verkommen, dass sich nicht mal eine Hand voll Abgeordnete findet, die eine Initiative für eine ehrliche, wissenschaftlich begründete Politik starten würde. Es sei kein Wunder, dass das Ansehen der Politiker auf einen nie gesehenen Tiefstand gesunken sei. Sie könne das mit vielen Beispielen belegen.

Seit Jahren versprechen Politiker aller Schattierungen die Bürokratie zu bekämpfen, stattdessen wuchert sie wie eine Hydra und behindert die Wirtschaft. In der Privatindustrie kann kein Angestellter auch nur davon träumen, dass er unkündbar ist, dass seine Effizienz nicht kontrolliert wird und dass er eine so hohe Altersversorgung erhält.

Die Beamten haben in den Ministerien und im Parlament eine Machtposition erreicht, die es nahezu unmöglich macht, ihre Vorteile zu beschneiden.

Die Bundeswehr hat ihre wichtigste Aufgabe, die Verteidigung des Landes gegen einen aggresiven Sowjetblock verloren. Trotzdem haben wir noch immer 250 000 Soldaten, die auch noch von 120 000 Zivilangestellten verwaltet werden.

Jahr für Jahr hören wir, dass gewiss nächstes Jahr damit begonnen wird, die immensen Schulden abzubauen, nur noch in diesem Jahr sei eine höhere Verschuldung notwendig. Stattdessen steigt das Defizit Jahr für Jahr. Schönfärberisch wird seine Höhe am Bruttosozialprodukt gemessen. Da Schulden und Zinsen aus dem Haushalt bezahlt werden müssen, liegen sie statt bei 3,5 % - tatsächlich bei 12 %. Jeder Bundesbürger ist inzwischen mit 20 000 Euro Schulden belastet, die unsere Kinder zurückzahlen müssen.

Regelmäßig wird versprochen, die Subventionen abzubauen. Weil kein Politiker den Mut aufbringt, eine Gruppe von Wählern zu verärgern, steigen die Subventionen munter weiter. Es sind Geschenke für bestimmte Interessengruppen auf Kosten der Allgemeinheit. Die Lobby bestimmter Berufsgruppen hat es inzwischen erreicht, dass deren Einkommen zu über 50 % aus Subventionen besteht.

Unsere Systeme der sozialen Sicherungen erfüllen ihre Aufgabe auf Grund der Finanznot nur mit Schwierigkeiten. Wiederholt wurden Reformen als mutige endgültige Lösung gepriesen, jedes Mal hat sich innerhalb eines Jahres gezeigt, dass es wieder nur Flickschusterei war. Die Gesetze waren meist nicht praktikabel, man fragt sich, ob es in den Ministerien keine kompetenten Fachleute mehr gibt.

Die Harzreformen sind ein glänzendes Beispiel für eine gelungene Reform. Die Zahl der Arbeitslosen sollte halbiert werden, die Kosten sinken. Neue Arbeitsplätze gibt es nicht, die Verwaltung ist ein Chaos, die Kosten stiegen um 12 Milliarden. Das Schlagwort "Agenda 2010" sollte offenbar bedeuten, dass sich bis dahin gar nichts ändert.

Obwohl jeder weiß, dass Steuererhöhung das Wirtschaftswachstum behindern, wird von der Regierung eine Erhöhung der Steuer nach der anderen verkündet, nur um weitere Wohltaten verteilen zu können. Besonders bedenklich ist es, dass die Investitionen für Zukunftsaufgaben - wie Wissenschaft, Bildung und Forschung - vernachlässigt werden. Kaum zu glauben ist, dass die Abgeordneten es seit Jahren dulden, dass ein verfassungswidriger Haushalt verabschiedet wird.

Das wichtigste Ziel der Regierung sollte es sein, die Wohlfahrt und die Zukunft des Landes und seiner Bürger zu sichern. Die Politiker denken überwiegend nur an ihren Machterhalt und die Abgeordneten üben keine ausreichende Kontrolle aus. Da diese Fehlentwicklung sich seit langem beschleunigt, haben viele Menschen die Hoffnung auf eine sachgerechte Politik aufgegeben, sie gehen in die innere Emigration.

Ich wollte die beißende Kritik unserer Katze widerlegen und habe daher geantwortet, jetzt mit der neuen Regierung werde alles besser. Ich suchte nach Beispielen, wo unsere Politiker vorbildlich und mutig gehandelt haben, aber es fiel mir keines ein.

Dann kam die heutige Tageszeitung und Lisa las mir den Leitartikel vor. Der Finanzminister wolle nicht mehr (sic!) sparen und die Steuern erhöhen. Nur dieses Jahr noch steige das Defizit. Mir hat es die Sprache verschlagen. Ich musste den Versuch aufgeben, unsere Katze zu überzeugen, dass unsere Politiker verantwortungsvoll handeln.

Vielleicht sollte ich es in Zukunft vermeiden, mit unserer Katze über Politik zu diskutieren, sie versteht davon nichts!

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