Donnerstag, Januar 11, 2007

Napoleon + TV

Liebes Tinchen


10.12., 21:20

Das Papier ist ja nicht sehr schön, ich habe aber kein anderes. Es ist ja auch wichtiger was ich schreibe – so wie der Hut auf dem Kopf – wichtiger ist was drin ist (im Kopf.

Eigentlich wollte ich ja fernsehen, konnte aber trotz herumzappen nichts finden, also dachte ich, dass ich Dir mal wieder schreiben könnte. Jetzt muss ich unterbrechen, ich habe was gefunden, in Arte gibt’s zwei Filme über Napoleon, diesen Abend wird doch ferngesehen!

11.12., 04:00

Ich schreibe so früh, weil die Ausfallerscheinungen des Morbus Parkinson und des Morbus Alzheimer sowie der fortgeschrittenen Senilität morgens weniger ausgeprägt sind. Zwar kommt die Katze zu mir, die an morgendliche Gespräche gewöhnt ist, politische Diskussionen vermeide ich aber neuerdings, weil Lisa sich beleidigend über di eIntelligenz unserer führenden Politiker äußert.

Also – gestern habe ich zwei passable Filme über Nappy gesehen und einiges gelernt. Er war ein interessanter Mann, konnte zwölf Briefe gleichzeitig diktieren. An die Macht gekommen ist er durch die französische Revolution, in der die französischen Bürgerdie Rechte erhielten, die die Engländer schon seit langem hatten. In England hatten die Henker – wie die übrigen Handwerker – häufig grässlich gepfuscht; man muss sich fragen wie sie achtzig Jahre später die industrielle Revolution erfinden konnten.

Den eigentlichen Erfolg der französischen Revolution garantierte erst eine geniale Erfindung eines Dr. Guillotin. Er erfand zur Durchsetzung der Menschenrechte und der "liberté, egalité, fraternité" eine Maschine, die so perfekt funktionierte, dass von seiten der Betroffenen keine einzige Beschwerde bekannt wurde! Als die Franzosen die Menschenrechte in das übrige Europa exportieren wollten, haben die herrschenden Fürsten nur wenig Begeisterung für diesen Fortschritt gezeigt und es kam zum Krieg. Da die Offiziere durch die Erfindung des Dr. Guillotin sehr dezimiert waren, wurde Nappy der jüngste General Frankreichs.

Mit Ausnahme Englands eroberte er ganz Europa und machte sich auf, auch Russland eine fortschrittlichere Regierungsform zu geben. Der Zar hat das wohl anders gesehen, es kam wieder zum Krieg. Weil Nappy vergessen hatte, warme Sachen einzupacken, misslang der Feldzug, er bekam eine Pauschalreise nach Elba spendiert. Da es ihm dort nicht so gut gefiel (der Service war schlechter als in Versailles), ging er später nach St. Helena.

Ich erinner miche noch heute, dass ich mit 13 Jahren in der U-Bahnstation "La Bastille" einmal ausgestiegen bin, um die Festung anzusehen und dann enttäuscht war, weil ich gut 150 Jahre zu spät kam (es ist an der Stelle jetzt nur noch ein leerer Platz).

Nappys Karriere hat eine erstaunliche Ähnlichkeit mit der von Adolf… (der Nachname fällt mir im Augenblick nicht ein – s.o. "Senilität"); ein wesentlicher Unterschied besteht aber darin, dass Nappy ein erstklassiger militärischer Fachmann war. Den Fehler mit den Socken hat Adolf dann auch gemacht. Das Ergebnis für die einfachen Leute war das Gleiche. Es gab bei Nappy zum ersten mal Volksheere, die Wehrpflicht in Frankreich war fünf Jahre, in Russland dauerte sie 40 Jahre! Erfreulich ist, dass bei so vielen Toten die Sterblichkeit der militärischen Kommandeure nicht wesentlich stieg.

Eigentlich wollte ich ja meine Ansichten über das Fernsehen diskutieren – aber Gedankenflucht ist eines der Symptome fortgeschrittener Senilität.

Die Demoskopen haben herausgefunden, dass jeder Deutsche durchschnittlich täglich 211 Minuten fernsieht. Wow! Selbst wenn man bedenkt, dass viele Menschen, die sonst nicht viel zu tun haben, den Fernseher morgens anmachen und erst abends wieder aus, bleibt es doch eine lange Zeit, die jeder vor der Glotze verbringt. Das erklärt, warum die deutschen Arbeiter keine Zeit haben, Gemüse zu ernten und sich im öffentlichen Dienst erbittert gegen wöchentlich 1,5 Stunden Mehrarbeit wehren!

Die Nachrichten in den öffentlichen Programmen sind ganz gut – sie wären sicherlich erfreulicher, wenn allgemein für Politiker ein Mindest-IQ von ca. 60 eingeführt würde.

Beim Privatfernsehen kommt es sehr stark auf die Quote an, deshalb orientieren sich die Programmmacher offenbar an den Ergebnissen des unteren Drittels der Pisa-Studie.

Nur wenige Sender erreichen das Niveau – etwa – der sechsten Klasse des Gymnasiums (N24, Arte, Phoenix, DW, ZDF-Doku, BBC) – erstaunlicherweise haben diese Sender nur minimale Einschaltquoten. Traurig!

Einge gute Eigenschaft kann dem Fernsehen nicht abgesprochen werden, es ist ein hervorragendes Schlafmittel, insbesondere seit die Sender 24 Stunden laufen. Wacht man nachts mal auf, kann man einen Höhepunkt der Fernsehkultur erleben: Dauereinkaufsendungen wie "Homeshopping Europe". Das ist einfach faszinierend! Diesen Genuss muss man einfach erlebt haben. Moderatoren, die in Sprache und Verhaltensweise den aktuellen Begriff der "Unterschicht" live demonstrieren, erklären dem nächtlichen Publikum, dass wundervolle Waren günstig zum dreifachen Ladenpreis erworben werden können. Das umfangreiche Sortiment umfass fast echten Schmuck, Töpfe, in denen man sogar Wasser kochen kann, Messer, die doch tatsächlich Butter schneiden, Photoapparate, die richtige Bilder machen, Bettdecken, die Rheuma und viele andere Krankheiten verhindern, kurz – man kommt sich vor wie im Paradies. Damit nun Unterschichtler nicht benachteiligt werden, bieten einige Sender auch noch den Gewinn großer Geldsummen an, wenn sie (kostenpflichtig) anrufen und so schwierige Fragen beantworten, wie der Vorname von Edmund Stoiber lautet.

12.12., 06:20

Ich habe wohl verschlafen. Frisch auf ans Werk, Trägheit ist aller Laster anfang, Early to bed and early to rise – fällt selbst hinein. Entschuldige bitte diesen Schmarrn. Senilität (s.o.) bedeutet auch, dass die restlichen 15 grauen Zellen keine eigenen Gedanken mehr zustande bringen, und dann verlegt man sich eben auf die Gedanken unserer Vorfahren, z.B. Sprichworte!

Werbesendungen sind eine wahre Plage, schlimmer als Heino oder die Herzbuben. Um der Werbung zu entgehen, hat die Industrie dankenswerterweise die Fernbedienung erfunden. Ich habe das "Galopp-Zappen" entwickelt, rase durch alle Kanäle und wieder zurück, um zu sehen, ob die Werbung endlich vorbei ist. Manchmal finde ich dabei etwas anderes, bleibe dort, und das führt dazu, dass ich viele Sendungen nur zur Hälfte sehe. Dieser Mechanismus ist die Ursache für das bekannte Phänomen der "Halbbildung".

Ich frage mich, warum die Werbung so lästig ist. Der Grund scheint mir darin zu liegen, dass menschliche Konventionen verletzt werden, die sonst durch einen Konsens aller wohlerzogenen Mitmenschen eingehalten werden.

13.12., 05:55

Wenn man eine Sendung sieht, wird einem etwas mitgeteilt, man denkt mit. Es ist eine, wenn auch einseitige, Kommunikation.

Im täglichen Umgang mischt sich niemand ungefragt in fremde Gespräche ein. Bei der Werbung erfolgt dies noch dazu absolut rücksichtslos, mit einem völlig anderen Thema, häufig an spannenden Stellen des Berichtes. Unsere Gedankengänge wreden brutal unterbrochen. Die Wrebung ist dazu in den allermeisten Fällen dumm, unwahr, primitiv, peinlich und intellektuell völlig anspruchslos. In den ganz seltenen Fällen, wo sie witzig ist, wird der Reiz zerstört, weil es kaum etwas Witzloseres gibt als eine Pointe, die ständig wiederholt wird.

Zur Werbung noch ein besonderes Erlebnis von gestern. Ich fahre mit dem Weihnachtsmann zum MediaMarkt nach Ansbach, um für Chrissi eine passende Rute auszusuchen. Über dem Eingang hänt ein großes Bild mit einem großen süßen rosa Ferkel. Das hjat in mir Assoziationen geweckt mit einem Spanferkel, das in einem MediaMarkt-Herd zubereitet werden könnte. Die Klapptüren am Eingang hatten Pappüberzüge mit der großen Aufschrift "Schweingang". Meine Frage an die Kassiererin, ob alle ihre Kunden denn Schweine seien, stieß auf Unverständnis. In ihrer Sucht, aufzufallen, erreichen die Werbeleute ungeahnte kreative Höhepunkte. Am Klo stand aber das Wort "Toilette", obwohl hier das Wort "Schweinestall" angebracht gewesen wäre.

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